Reiter und Autofahrer – Haftbarkeit im Straßenverkehr

Das OLG Celle hat sich in einer Entscheidung vom 10.04.2018 mit der Frage der Haftungsverteilung bei einem Unfall zwischen Lkw und Pferd beschäftigt. Geprüft wurde hier vor allem der Haftungsanteil der Reiterin.

Der Sachverhalt:

Die Tochter der Klägerin führte das Pferd der Klägerin, ein Reitpony. Der Beklagte zu 1) führte einen Lkw, die Parteien begegneten sich auf einem asphaltierten Weg mit Randstreifen auf beiden Seiten, die Reiterin blieb-ohne abzusteigen-stehen und wendete ihr Pferd Richtung des passierenden LKW´s, während der Lkw langsam an ihr und dem Pferd mit einem Abstand von ungefähr 1 m seitlich vorbeifuhr. Hierbei scheute das Pferd und verletzte sich, im weiteren Verlauf musste das Tier eingeschläfert werden, die Reiterin blieb unverletzt.

Die Entscheidung:

Erstinstanzlich war das entscheidende Landgericht von einer Haftungsverteilung zwischen den Parteien von 50:50 ausgegangen. Das OLG Celle blieb im Ergebnis bei der Entscheidung des Landgerichts und bejahte einen mit Haftungsanteil der Reiterin von 50 %. Das OLG Celle führt zunächst aus, dass der Lkw-Fahrer einen seitlichen Abstand von mindestens 1,5-2 m hätte einhalten müssen. Anders als bei dem Passieren oder Überholen von anderen Verkehrsteilnehmern reiche ein Seitenabstand von ca. 1 m nicht aus, da beim Passieren oder Überholen eines Reiters oder auch anderer Tiere mit einer plötzlichen Reaktion des Tieres gerechnet werden müsse. Das OLG führt allerdings weiter aus, dass im Hinblick auf die Verkehrssituation die Reiterin vom Pferd hätte absteigen müssen. Es hätte nicht ausgereicht, hier das Pferd auf dem Seitenstreifen zu lenken und dort anzuhalten. Insbesondere sei hierbei zu bedenken, dass es sich bei Pferden um Fluchttiere handele. Ein Reiter müsse dies in Rechnung stellen und erwarten, dass ein Pferd sowohl durch Geräusche und insbesondere auch durch die pure Anwesenheit eines großen, sehr dicht passierenden Lkw, unruhig wird und schließlich scheut und dabei verunfallt. Dies gelte insbesondere auch dann wenn das Pferd in Richtung Fahrzeuges gestellt würde und damit bei einer fluchtartigen Reaktion gerade in Richtung des Fahrzeuges rennen würde. Hieraus folgert das OLG, dass es vorhersehbar sei, dass Begegnungssituationen mit Fahrzeugen potentiell gefährlich seien, selbst wenn das in Rede stehende Pferd prinzipiell an den Straßenverkehr gewöhnt gewesen sei. Insofern sei es der Reiterin möglich gewesen die Situation zu entschärfen oder zumindest die Gefahr zu reduzieren indem sie vom Pferd abgestiegen wäre und es am kurzen Zügel hätte führen können. Sie hätte auch weiter ein Stück zurückreiten können, um die Begegnung mit dem Fahrzeug an einer breiteren Stelle zu ermöglichen.

Die Konsequenz:

Alle Reiter kennen die Situation auf Feldwegen in der Natur. Vielfältig gibt es Begegnungen, sei es mit Kraftfahrzeugen oder sonstigen Personen und/oder Verkehrsteilnehmern. In Situationen in denen die Begegnung nicht plötzlich und unerwartet kommt wird man insofern, im Hinblick auf die obige Entscheidung, dem Reiter empfehlen müssen vom Pferd abzusteigen, um sich nicht dem Vorwurf der Fahrlässigkeit auszusetzen. Übrigen Verkehrsteilnehmern ist allerdings ebenfalls größtmögliche Sorgfalt im Hinblick auf das Wesen „Pferd“ zuzumuten. Dies gilt insbesondere für Kraftfahrzeuge, insbesondere natürlich auch für landwirtschaftliche Geräte. Wenn diesen ein gefahrloses Passieren eines Pferdes mit Reiter oder auch eines Pferdes alleine nicht mit mindestens einem Sicherheitsabstand von 2 m möglich ist, müssen die Verkehrsteilnehmer wechselseitig eine Einigung bezüglich des Passieren d.h. durch Handzeichen etc. herbeiführen. Besonders wichtig ist hierbei nach Auffassung des Unterzeichners, dass, auch gerade jungen Reitern, immer wieder die Gefahr vor Augen geführt wird und diese dazu angehalten werden in unklaren Situationen eher vom Pferd abzusteigen, als sich bezüglich der eigenen Vertrautheit mit dem Tier zu sicher zu sein.

Dr. Boris Cramer – Rechtsanwalt – Fachanwalt für Verkehrsrecht

2020-06-15T18:01:13+02:00